Artikel: Antikörper gegen den Grünen Star

  • Guten Abend Frau Prof. Käsmann,

    ich habe heute beim Stöbern im Netz einen Artikel gefunden - http://www.echo-online.de/suedhessen/tem….php3?id=483987 -, in dem über neue, zukunftsweisende Behandlungsmethoden bei Glaukom berichtet wird. Prof. Krieglstein wird zitiert, dass die Zukunft in sog. Neurotrophinen liege, die dazu beitragen könnten, den Sehnerv zu schützen; allerdings liefen hierzu noch die klinischen Studien.

    An diesen Studien bin ich sehr interessiert. Gerade für unsere Kinder, die ja ihr ganzes Leben noch vor sich haben, wäre ein Wirkstoff, der den Sehnerv vor weiteren glaukomatösen Schäden schützen kann, bevor sie alt genug sind, dass mit OP-methoden, die mal länger als nur 6 Monate in ihrer Wirkung anhalten, von größter Bedeutung; für uns Eltern eine rießengroße Erleichterung. Wissen Sie etwas von diesen Studien, in welchem Stadium sie sich befinden? Sind das ganz neue Medikamente? Gehört der Betablocker Betoptic, dem ja auch neuroprotektive Wirkungen nachgesagt werden, ebenfalls zu dieser Gruppe?

    Desweiteren spricht der Artikel an, dass Prof. Jost Jonas aus Mannheim die sog. intravitreale Injektion als sehr wirkungsvolle Behandlungsmethode bei Glaukom ansieht. Abgesehen davon, dass dabei die Medikamente ins Auge gespritzt werden, was genau ist die Besonderheit daran, die möglicherweise effektiver ist als andere Behandlungsmethoden? Wäre das auch geeignet bei Kindern, zB anstelle der viel intensiveren OPs?

    Ich danke Ihnen schon im Voraus für Ihre Antwort und wünsche Ihnen einen schönen Abend und ein schönes Wochenende,

    Ingrid Kunz

  • Liebe Ingrid,

    zunächst einmal, bevor ich auf Biankas Anfrage eingehe, endlich mal eine Antwort auf Ihre Frage hier, die mich einiges Nachschlagen in den letzten Tagen gekostet hat.

    Das lag darin begründet, dass in dem Presse-Artikel die Neuerungen mit der Glaskörper-Medikamenteneingabee, die sehr gut bei der altersbedingten Maculadegeneration hilft, ein wenig mit der Glaukomtherapie zusammengeschmissen wurde.

    Zum einen: die Neurotrophine sind sog. nerven"schützende" Substanzen - wobei dieser allgemeine Begriff es nicht richtig trifft. Es gibt 2 Funktionsweisen, die vermutet werden:

    1. Schutz vor Synapsenverlust (Synapsen = die Verbindungsstücke zwischen 2 Nervenzellen) sowie auch Hilfe zur Neubildung von Synapsen (ein sehr wichtiger Punkt, früher dachte man immer, wenn mal x Nervenzellen tot sind, wäre nie wieder die Möglichkeit, x + Nervenzellen zu bekommen)

    2. Schutz vor der sog. Apoptose, dem programmierten Zelltod. Das tuen die Neuotrophine zum einen durch ihre synapsenfördernde Wirkung, denn eine Nervenzelle, die mit anderen NZ Verbindungen eingeht, wird nicht so schnell sterben wie eine, die alleine dasteht. Zum anderen sind es aber wohl auch die Subsatanzen der Neurotrophine selber, die auf dem Fortsatz der Nervenzelle sitzen und den Zelltod abwehren.

    Eine Vision in diesem Zusammenhang ist ein direkter Eingriff in die Apoptose-Prozesse. Die meisten Daten zum Thema Neuroprotektion entstammen bislang noch Tierexperimenten, d. h. es gibt z. Zt. noch keine klinischen Studien, die die Wirksamkeit der Neuroprotektiva belegen. Die ersten Ergebnisse der sogenannten Memantine-Studie sind voraussichtlich erst Ende 2007 zu erwarten. Dieses Memantine jedoch wirkt nicht als Neurotrophin, sondern auf anderem Wege nervenschützend.


    Zur Intravitrealen Injektion: Prof. Jonas meint damit nicht eine Injektion in den Glaskörper (das war wirklich nicht verständlich in dem Artikel), sondern (habe einige seiner Arbeiten gesichtet) eine Injektion derselben Substanzen bei einer Glaukomoperation in den OP Bereich (zB bei einer filtrierenden OP), um durch die Substanz die Vernarbung und Vaskularisation des Filterkissens zu vermindern und so für die OP höhere Erfolgsaussichten zu schaffen. Es gibt bislang keine größeren doppelgeblindeten Studien über das Vorgehen. Meine Meinung hierzu ist, dass der Denkansatz absolut nachvollziehbar ist, dass man mit solchen Dingen aber erst an die Öffentlichkeit treten sollte, wenn man über statistisch abgesicherte Studienergebnisse verfügt und nicht anhand Einzeldarstellungen. Die Gefahr dabei ist möglicherweise eine Überfiltration und schädliche Hypotonie.


    So, das wars erstmal hierzu. Hat etwas gedauert, was aber vielleicht verständlich ist?

    Viele Grüße,
    Barbara Käsmann


  • Liebe Frau Prof. Käsmann,

    wenn ich gewußt hätte, welchen Aufwand Sie betreiben müssen, um meine Frage zu beantworten, und das noch quasi in Ihrer Freizeit, dann hätte ich mir das dreimal überlegt, zumal solche Zeitungsartikel bekanntermaßen mit Vorsicht zu genießen sind. Um so mehr bedanke ich mich für die ausführliche Antwort, die mir auch mal etwas mehr Verständnis für die Neuroprotektiva im Allgemeinen gibt. Wenn die Forschung - in diesem Stadium scheint sich die Entwicklung dieser Medikamente ja noch zu befinden - tatsächlich ein so wie beschrieben wirkendes Medikament entwickeln könnte, dann wäre das natürlich phänomenal, wobei ich, wahrscheinlich sehr naiv, im Hinblick auf meinen Sohn besonders an der Synapsenbildungsfunktion interessiert wäre. Ich hatte vor einiger Zeit von erfolgreichen Versuchen mit Mäusen an der Harvard Universität gelesen, bei denen es gelungen war, glaukomatöse Schäden an den Sehnerven wieder zu regenerieren. Ist es das, was Sie mit Synapsenbildung meinten?

    Nochmals herzlichen Dank für Ihre Mühe,
    ich hoffe, Sie verfügen über ein kühles Plätzchen zum Ausspannen an diesem heißen Wochenende,
    viele Grüße,
    Ingrid

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!